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Kassel – mehr als documenta

Der Parthenon of Books auf dem Friedrichsplatz in Kassel zur documenta. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Ich habe keine Ahnung! Ehrlich, ich verstehe nichts von Kunst. Ich war zwei Jahre lang Mitglied im Bremer Kunstverein, weil ich gerne in die Kunsthalle Bremen gehe, aber deswegen kann ich noch lange keine Auskunft zu den ausgestellten Werken geben. Dieses als Warnung voran geschickt, falls jetzt irgendjemand tiefgründige Einblicke in die documenta14 erwartet. Ich bin maximal interessierte Laiin und so richtet sich dieser Text auch eher an andere interessierte Laien. Nun gut, es geht los.

Kassel und ich, das ist im Grunde eine längere Geschichte. Es gab eine Zeit in meinem Leben, da bin ich regelmäßig nach Kassel oder mindestens durch Kassel hindurch gefahren und kannte von daher den Bahnhof Wilhelmshöhe und auch die Jugendherberge recht gut. Von der Stadt selbst hatte ich bis jetzt kaum etwas gesehen und auch zur documenta war ich bisher nie. Ich bin also als blutige Anfängerin nach Kassel gefahren.

Die Röhren von Hiwa K auf dem Friedrichsplatz - im Hintergrund der rauchende Zwehrenturm von Daniel Knorr. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Die Röhren von Hiwa K auf dem Friedrichsplatz – im Hintergrund der rauchende Zwehrenturm von Daniel Knorr. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Ticketkauf und Planung der documenta online

Über den Webshop der documenta habe ich mir bequem ein 2-Tages-Ticket gekauft. Das hatte nicht nur den Vorteil, dass ich direkt in Kassel zu den Ausstellungsorten gehen konnte. Zusätzlich erhielt ich nach der Ticketbuchung den Link zur Deutschen Bahn, über den ich meinen Fahrschein zum Sparpreis Kultur buchen konnte. Der Sparpreis Kultur ist wie alle anderen Sparpreise der Bahn per Kontingent begrenzt, so dass es mich nicht groß wunderte, dass der günstigste (beworbene) Tarif nicht mehr verfügbar war (ich habe allerdings auch erst zwei Tage vorher gebucht). Für die Hin- und Rückfahrt im ICE ohne Umsteigen habe ich dann aber doch nur knapp 60 € bezahlt. Günstiger wäre ich per Fernbus von Bremen nach Kassel gekommen, aber nicht zu vertretbaren Zeiten.

Die Orangerie am Eingang der Karlsaue von Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Die Orangerie am Eingang der Karlsaue von Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Online kann man auch den Besuch der einzelnen Ausstellungsorte (Link führt nicht zur offiziellen Website, bringt aber in dem Fall mehr) planen. Ich habe das ganz laienhaft nicht getan, sondern habe mir Tipps von einem Freund geben lassen, der schon auf der documenta14 war. Ansonsten habe ich mich einfach ein wenig treiben lassen und habe dann auch damit gelebt, dass eben nicht alle documenta-Orte von 10 bis 20 Uhr zugänglich sind. Aber das lag ja in meiner Verantwortung und schmälerte das Gesamterlebnis nicht wirklich.

Online hatte ich auch meine Unterkunftfür die Nacht gebucht – Jugendherberge mit Halbpension für 30 €. Günstige Hotelzimmer sind allmählich Mangelware, zumal sich die documenta14 dem Ende nähert.

Beste Besuchstage zur documenta

Ich hatte meine Reise extra von Mittwoch auf Donnerstag gelegt, um Besuchermassen am Wochenende auszuweichen. Unter der Woche gibt es dafür einige Schulklassen in den Ausstellungsräumen. Und Reisegruppen trifft man eigentlich immer und überall. Ich kann also nicht pauschal sagen, ob es noch besonders gute Besuchstage gibt. Ich fand es jedenfalls nirgends übermäßig voll. Irgendwie haben sich die Besuchermassen bei der Fülle an Ausstellungsorten ganz gut verteilt.

Persönliche Höhepunkte der documenta14

Auch wenn ich sage, dass ich von Kunst keine Ahnung habe, so setze ich doch ein paar Schwerpunkte. Ich interessiere mich sehr für Fotografie und großformatige Malerei. Auch Objektkunst finde ich interessant. Schwerer tue ich mich mit Video- und Audiokunst. Und zu Performances kann ich so gar nichts sagen, weil ich die aufgrund meiner Planlosigkeit aber auch immer verpasst habe. Hier nun aber die für mich sehenswerten Orte:

Leder Meid-Apartment

Die ehemalige Eigentümerwohnung zum alten Ledergeschäft ist schon allein der Räumlichkeiten wegen sehenswert. Der Charme der 70er Jahre trifft auf die Bilder von Apostolos Georgiou, der den Niedergang der Mittelklasse an die Wand bringt.

Eines der Werke von Apostolos Georgiou im Leder Meid-Apartment. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Eines der Werke von Apostolos Georgiou im Leder Meid-Apartment. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Neue Neue Galerie

Wer nicht die Zeit hat, alles zu sehen (alles zu sehen ist ohnehin nahezu unmöglich), sollte auf jeden Fall in die Neue Neue Galerie gehen. Das Gebäude der alten Hauptpost (gebaut tatsächlich als Neue Hauptpost 1975) erinnert mit den großen Hallen eher an eine Fabrikhalle statt an ein Briefzentrum, aber gerade das macht das Gebäude so spannend. Ich habe ja ein Faible für Lost Places und hätte das Gebäude wohl auch ohne die präsentierte Kunst spannend gefunden. Aber doch, die Kunst ist sehenswert. Besonders mochte ich die großformatige Darstellung der Geschichte Queenslands (MURRILAND! von Gordon Hookey, 2017). Wohl auch, weil ich ähnliche grafische Arbeiten während meiner Reise durch Australien schon gesehen hatte und mochte. Aber auch der Streifzug durch die weiteren Stockwerke war spannend. Es tut mir leid, wenn ich nicht jedes Kunstwerk richtig zu würdigen weiß. Aber in der Fülle an ausgestellten Werken flog das ein oder andere schlichtweg an meiner Wahrnehmung vorbei.

MURRILAND! in der Neuen Neue Galerie der documenta14 in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

MURRILAND! in der Neuen Neue Galerie der documenta14 in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Ehemaliger unterirdischer Bahnhof (Kulturbahnhof)

Wie eben schon erwähnt, mag ich Lost Places. Allein deshalb musste ich zum unterirdischen Bahnhof hinabsteigen. Die Station wurde 2005 geschlossen und es ist schon amüsant, dass noch alte Werbeplakate von damals an den Wänden hängen. Wer mit dem Zug zur documenta anreist, kann direkt hier beginnen. Der Ausgang durch den Tunnel führt wieder ins Licht und dann auf kurzem Weg zum Beispiel zur Neuen Neuen Galerie.

Blick zurück in den Tunnel vom ehemaligen unterirdischen Bahnhof zur documenta in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Blick zurück in den Tunnel vom ehemaligen unterirdischen Bahnhof zur documenta in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Fridericianum

Was geht ab in Griechenland? Diese Frage wird hier beantwortet. Der Arbeitstitel der documenta14 ist „Von Athen lernen“. Im Fridericianum wird nun die Sammlung des Athener Nationalen Museums für Zeitgenössische Kunst (EMST) gezeigt. Und die kann sich wirklich sehen lassen. Bei griechischer Kunst denkt man vielleicht zuerst an hässliche Vasen mit der Darstellung altgriechischer Olympioniken. Aber in der zeitgenössischen Kunst werden viel spannendere Geschichten erzählt. Auch hier kann ich leider nicht viele einzelne Kunstwerke benennen, weil ich mir aber auch sehr selten die Beschriftungen zu Kunstwerken durchlese. Der magnetische Gong blieb in meinem Gedächtnis hängen, allein schon des durchdringenden Tones wegen. Und die zerbrochenen Nationalflaggen im Zwehrenturm. Ach, und nein, man muss nicht die Feuerwehr rufen, wenn Rauch aus dem Zwehrenturm aufsteigt. Das ist „nur“ eine Installation von Daniel Knorr.

Der Friedrichsplatz mit dem Parthenon of Books bei Nacht. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Der Friedrichsplatz mit dem Parthenon of Books bei Nacht. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Friedrichsplatz

The place to be, obviously. Der Friedrichsplatz ist quasi das Herzstück der documenta. Fridericianum, Leder Meid-Apartment, documenta-Halle, Naturkundemuseum… sind als Ausstellungsorte immer nur wenige Schritte entfernt. Auf dem Platz selbst überragt der Parthenon of Books von Marta Minujín alles. Die Säulen verbotener Bücher wachsen beständig an und das Kunstwerk ist zu Tag- und Nachtzeiten ein dankbares Fotomotiv. Etwas kleiner, aber nicht weniger beeindruckend sind die Röhren von Hiwa K auf der anderen Straßenseite. Sie symbolisieren die Zufluchtsorte von Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Griechenland. Während meines zweitägigen Aufenthaltes bin ich während meiner Tour zu den verschiedenen Ausstellungsorten immer wieder am Friedrichsplatz gelandet, und sei es nur, um die Straßenbahn zu wechseln. Am Abend habe ich mir an einem der umliegenden Getränkestände ein Aperol Sprizz gegönnt, mich in einen Liegestuhl gesetzt und dabei zugesehen, wie sich die Nacht über den Parthenon of Books legt. Das war ein sehr angenehmer Tagesausklang.

Auch ohne documenta sehenswert

Die Ausstellungsorte der documenta sind über die ganze Stadt verstreut, so dass man als Besucher Kassel ganz gut kennenlernt. Außerdem beteiligen sich die angestammten Kasseler Museen und Ausstellungshäuser mit Einzelräumen an der documenta. In der Regel hat man als documenta-Besucher dann keinen Zutritt (ohne extra Ticket) zur jeweiligen Dauerausstellung der Museen. Aber man bekommt dennoch einen Einblick in die einzelnen Häuser und kann sich diese für den nächsten Besuch in Kassel vormerken. Meine persönlichen Tipps hierfür sind:

Grimmwelt Kassel

Die Grimmwelt Kassel wurde erst 2015 eröffnet und versprüht noch den Charme des Neuen, Frischen. Hoch auf dem Weinberg gelegen bietet die Dachterrasse eine schöne Aussicht auf die Stadt bis hin zum Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe. Die Ausstellung werde ich sicher einmal mit der Familie besuchen. Zur documenta habe ich mir hier „nur“ ein Mittagessen im Restaurant Falada gegönnt. Das Burger-Menü kann ich wärmstens empfehlen.

Museum für Sepulkralkultur

Lasst euch von dem sperrigen Namen (und seiner Bedeutung) nicht abschrecken. Das Museum gibt Einblicke in verschiedenste Bestattungskulturen – historisch und kulturell betrachtet. Dabei ist es ganz und gar nicht düster oder Trauer verbreitend. Eine Freundin von mir hatte hier einmal ein Praktikum absolviert und so musste ich mir ihren ehemaligen Schaffensort endlich einmal ansehen. Auch ohne diesen persönlichen Bezug ist das Museum einen Besuch wert.

Naturkundemuseum im Ottoneum

Hier gibt es die wohl schönsten öffentlichen Toiletten der Welt, mindestens von Deutschland, wenn ich an die Hundertwasser-Toiletten im neuseeländischen Kawakawa denke 😉 Ok, gut, individuelle Bedürfnisse sind vielleicht für einen Blogartikel nicht ganz so spannend. Aber Naturkundemuseen eignen sich meiner Meinung nach immer gut für einen Ausflug mit Kindern. Nachdem ich in einem Aquarium Axolotl gezählt hatte, wurde ich durch die Siebdrucke von Dale Harding an die Cuevas de los Manos in Argentinien erinnert. So hat die documenta14 für mich persönlich Zeit und Raum überwunden.

Die Kunst von Lois Weinberger in der Kasseler Karlsaue kommt eher unauffällig daher. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Die Kunst von Lois Weinberger in der Kasseler Karlsaue kommt eher unauffällig daher. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Karlsaue und weiter Fuldaaue

Während meiner zwei Tage in Kassel war herrliches Sommerwetter mit viel Sonne und nicht allzu heißen Temperaturen. In der Karlsaue kann man sich ein wenig von der Kunst ausruhen. Hier gibt es zwar auch Kunst, aber die erschlägt einen inmitten des Grüns nicht so sehr. Ein kleines Stück weiter beginnt die Fuldaaue, leicht zu erreichen mit dem Bus No. 16 (ebenfalls ein Kunstwerk). Hätte ich Badesachen dabei gehabt, hätte ich hier schwimmen gehen können. Aber ich war ja auf Kulturreise und nicht zum reinen Vergnügen in Kassel.

Buslinie 16 - The Ship von Pavel Braila - auf dem Weg zur Fuldaaue. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Buslinie 16 – The Ship von Pavel Braila – auf dem Weg zur Fuldaaue. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Bergpark

Der Bergpark Wilhelmshöhe zählt mit seinen Wasserspielen, dem Schloss und dem Herkules sicher zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Kassel. Ich muss zugeben, dass ich nur dorthin gefahren bin, weil ich am zweiten documenta-Tag doch schon etwas kunstmüde war, aber eben auf meinen Zug mit Zugbindung warten musste. Und weil ich nicht nur kunstmüde, sondern auch fußmüde war, bin ich nicht einmal den Herkules hinauf gelaufen. Da ich auch noch die Wasserspiele um einen Tag verpasst hatte (sie finden mittwochs, sonntags und feiertags ab 14.30 Uhr statt), muss ich wohl nun tatsächlich noch einmal nach Kassel kommen, um ein paar Pflichtstationen für Besucher nachzuholen.

Der Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Der Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Aber insgesamt habe ich doch sehr viel von Kassel gesehen, viel viel mehr als in all den Jahren zuvor, die mich mit Kassel verbunden hatten. Und was soll ich sagen, ich komme gerne wieder, nicht nur zur documenta 🙂

Hier noch ein paar Tipps im Überblick:

Öffentliche Verkehrsmittel: Das Bus- und Straßenbahnnetz ist gut ausgebaut. Ich empfehle ein Multiticket Single – ein Tagesticket für Kassel für die Dauer von 24 Stunden. Das Multiticket gibt es auch in anderen Varianten ab zwei Personen für Kleingruppen. Innerhalb des Stadtzentrums kommt man auch gut zu Fuß von A nach B. Aber schon die Jugendherberge und dann der Bahnhof Wilhelmshöhe liegen etwas außerhalb. Und gelegentlich brauchten meine müden Beine etwas Pause.

Nicht immer eindeutig: Die Beschilderung zur documenta. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Nicht immer eindeutig: Die Beschilderung zur documenta. (c) Carolin Hinz www.esel-unterwegs.de

Karte bzw. Stadtplan zur documenta: Überall in der Stadt gibt es Schilder zur documenta. Leider fand ich die Beschilderung nicht immer eindeutig und übersichtlich. Aber umso freundlicher gaben die vielen Mitarbeiter an den Ausstellungsorten Auskunft. Ich hatte mir zusätzlich zum kopierten Plan aus der Jugendherberge vor Ort das „documenta 14: Kassel Map Booklet“ für 2,50 € gekauft, weil es neben den Stadtkarten eine Übersicht über die Ausstellungsorte und eine Werkliste enthält.

Essen: Da ich Halbpension in der Jugendherberge gebucht hatte, war mein Frühstück und Abendessen gesichert. Zum Mittagessen kann ich den Italiener in der Markthalle und das oben erwähnte Restaurant Falada in der Grimmwelt empfehlen. Verboten schöne Tortenstücke zur Kaffeepause gibt es bei Christian Rauch. Leckeres Eis mit schöner Aussicht auf den Königsplatz gibt es bei Zanetti im City Point. Der Tipp mit der Markthalle kam von einem Freund, die anderen Orte habe ich dank Google Maps gefunden 🙂

Und, habt ihr noch Tipps für meine nächste Reise nach Kassel?

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Kassel - Friedrichsplatz zur documenta 51.313165, 9.496715 Friedrichsplatz Hessen, Deutschland (Routenplaner)

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